Vereinbarkeit: Wenn die ungleiche Verteilung von Care-Arbeit in der Familie zu Konflikten führt

Vereinbarkeit: Wenn die ungleiche Verteilung von Care-Arbeit in der Familie zu Konflikten führt

Denise Winter
von Denise Winter
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"Die Vereinbarkeit ist bei uns ein riesiges Problem! Er arbeitet Vollzeit und ich bin mit der Geburt der Kinder in Teilzeit gewechselt. Wenn ich gewusst hätte, dass ich dann in Wirklichkeit noch tausend mal mehr Arbeit habe, und nicht mal die Wertschätzung für das bekomme, was ich da alles leiste (...). Alles was ich mache ich selbstverständlich. Ich glaube er stellt sich vor, dass ich den ganzen Tag Kaffee trinke und mich entspanne. Aber sobald er mal mehr als 30 Minuten mit den Kindern zusammen ist, ist er müde und erschöpft. Ich meine, ich verstehe das. Ich bin ja auch ständig müde und völlig erledigt. Aber bei mir wird das überhaupt nicht anerkannt. Im Gegenteil: Ich soll ja auch noch dankbar sein, dass er mit dem Geld, was er verdient und dieses Leben ermöglicht. Das nervt mich so sehr! Ich mache so unglaublich viel und nur weil ich damit nicht unser Konto auffülle, ist es gefühlt nichts wert und ich soll abends noch dankbar sein (...). Mittlerweile haben wir deswegen so viele Streits und ich bin an einem Punkt, da weiß ich nicht mal mehr, ob ich das alles so noch will (...). Es ist unheimlich traurig und ich fühle mich so oft so einsam und nicht gesehen in dieser Partnerschaft (...)."

Wenn Vereinbarkeit gelingen soll, müssen wir über das Thema Care-Arbeit und Beziehungsarbeit in der Familie sprechen

Hallo liebe Eltern,

heute möchte ich mit euch über ein Thema sprechen, das in vielen Familien zu Konflikten führen kann: die ungleiche Verteilung von Care-Arbeit und das daraus entstehende Problem von Vereinbarkeit in der Familie. Als Pädagogin mit eigener Praxis für Elterncoaching und Beratung sehe ich immer wieder, wie diese Ungleichheit zu Spannungen und Unzufriedenheit führen kann. Aber keine Sorge, in diesem Blog-Artikel möchte ich nicht nur über die Probleme sprechen, sondern auch Lösungsansätze aufzeigen und persönliche Beispiele teilen.

Was gehört alles zu Care-Arbeit?

Zunächst einmal: Was ist eigentlich Care-Arbeit? Care-Arbeit umfasst alle Aufgaben und Tätigkeiten, die darauf abzielen, das körperliche, emotionale und soziale Wohlbefinden von Familienmitgliedern sicherzustellen. Dazu gehören die Pflege von Kindern, Hausarbeit, die Betreuung von kranken oder älteren Familienmitgliedern und vieles mehr. Care-Arbeit ist also ein breites Spektrum an Aufgaben, die oft im Verborgenen erledigt werden.

Wie viel Care-Arbeit leisten Frauen?

Es ist kein Geheimnis, dass Frauen in den meisten Familien einen Großteil der Care-Arbeit leisten. Dies hat historische Wurzeln, ist aber immer noch weit verbreitet. Studien zeigen, dass Frauen im Durchschnitt doppelt so viel Zeit für unbezahlte Care-Arbeit aufwenden wie Männer. Das bedeutet, dass Frauen nicht nur ihre beruflichen Verpflichtungen erfüllen, sondern auch den Großteil der Hausarbeit und Kinderbetreuung übernehmen.

Wie wird der Gender Care Gap berechnet?

Der Gender Care Gap, also die ungleiche Verteilung von Care-Arbeit zwischen den Geschlechtern, wird oft anhand von Zeitverwendungsstudien gemessen. Dabei wird erfasst, wie viel Zeit Frauen und Männer für verschiedene Aufgaben aufwenden, einschließlich Care-Arbeit. Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass Frauen im Durchschnitt mehr Stunden pro Tag für Care-Arbeit aufbringen als Männer.

Warum die Verteilung von Care-Arbeit für die aktuelle Elterngeneration so schwer ist

Wir lernen als Kinder am Modell - meist an unseren Eltern. Wie wird gestritten, wie diskutiert, wer macht den Abwasch, wer macht alles Handwerkliche, wer kocht und kauft ein usw. 

In der Generation vor der aktuellen Elterngeneration haben die Mütter den noch viel größeren Teil der Care-Arbeit übernommen  - das Wort kannte da noch so gut wie niemand. Das war einfach so und es wurde einfach hingenommen, dass es für Frauen auch da schon sehr belastend war. Da wurde dann die Frau belächelt, wenn sie sich "beklagt" hat. 

Die Frauen heute stehen vor der Situation, dass sie beruflich viel mehr Gleichberechtigung einfordern und in ihrer Kernfamilie dann an den Punkt kommen, dass die Rollenbilder aber häufig noch von gestern sind. Es entsteht also eine große Kluft zwischen dem, was sie beruflich und im Punkto Unabhängigkeit erreichen wollen, und dem, wie in ihrem Zuhause noch Familie gelebt wird. 

Ohne die passenden Vorbilder lernen wir Frauen, wie "Frau sein geht". Und dazu gehört auch heute noch, dass wir uns um alles und jeden kümmern. Dazu kommt heute dann noch der Druck, auch beruflich "etwas aus sich zu machen". Es ist kaum verwunderlich, dass in diesem Spannungskessel viele Frauen erkranken und die Partnerschaften zerbrechen. 

Wird Care-Arbeit bezahlt?

Leider wird Care-Arbeit in den meisten Fällen nicht bezahlt, obwohl sie von unschätzbarem Wert für die Gesellschaft ist. Die Tatsache, dass sie größtenteils von Frauen erledigt wird und unbezahlt bleibt, trägt zur Geschlechterungleichheit bei und kann zu finanziellen Nachteilen für Frauen führen, insbesondere wenn sie ihre beruflichen Ambitionen zurückstellen, um sich um die Familie zu kümmern.

Genau das ist im Coaching in meiner Praxis immer wieder und mittlerweile fast täglich ein Thema. Viele Frauen entscheiden sich nach der Geburt bzw. Elternzeit dafür, mehr Zeit für die Familie zu investieren und sich in ihrer beruflichen Entwicklung zurückzustellen. Im Grunde ist das ja überhaupt kein Problem, genau das sollte jede Frau ohne jede Bewertung entscheiden dürfen. Schwierig wird es, wenn das zu einer ungleichen Verteilung des Familien Kapitals führt. Da wäre zum Beispiel die Eigentumsverteilung einer Immobilie. Frauen in meiner Praxis erzählen mir, dass die Immobilie zu einem Großteil dem Mann gehört und nicht ihr - mit der Begründung: "Er verdient ja auch viel mehr". 

Ein weiteres Beispiel sind getrennte Konten - auch hier gilt: Jede/r soll es so gestalten wie er / sie es möchte. Konflikte entstehen meist dann, wenn die Einkommen (auch durch unterschiedliche Arbeitszeitmodelle) so weit auseinander geraten, dass eine Person über ein vielfaches mehr verfügt. Wenn dann zum Beispiel gemeinsame Anschaffungen oder ein Urlaub ansteht, kommt es nicht selten zum Konflikt. Wer bezahlt den Urlaub? Wird alles 50/50 geteilt, oder zahlt die Person, die mehr verdienen kann, weil sie dafür mehr Zeiten in der Woche bereitgestellt bekommt?

Vergesst dabei auch nicht, dass Frauen in Deutschland über deutlich weniger Kapital verfügen und sehr viel häufiger von Altersarmut betroffen sind. In meiner Praxis sitzen manchmal Frauen, sie sich gern trennen wollen würden es aber nicht machen, weil sie Angst vor der finanziellen Situation nach der Trennung haben. Meistens haben sie ihre beruflichen Karrieren nicht weiter verfolgt, denn: 

"(...) ich dachte ja immer, dass wir als Familie und das so gemeinsam aufbauen. Ich weiß gar nicht, wie ich dastehe, wenn ich mich trenne. Ich glaube ich kann mir das einfach nicht leisten."

Wenn in der Trennungsberatung Ex-Paare sitzen, in denen der Mann die Trennung wollte, wird schnell deutlich, dass das Gefühl von monetärer Abhängigkeit zur Partnerin nur selten existiert. Die Bedenken sind dann andere, wie z.B. die Angst, "zu wenig Zeit mit den Kindern zu haben" oder "zu viel Zeit am Stück mit den Kindern", denn auch das kennen viele Väter leider nicht. Sind die Paare getrennt, muss ein Alltag mit dem Kind oder den Kindern her, was sich einige Väter gar nicht vorstellen können. 

Ihr seht, es ist sehr schwierig Vereinbarkeit und das Gefühl von Wertschätzung und Gleichberechtigung in der Familie zu entwickeln. Das gelingt auch nur dann, wenn man im authentischen und wertschätzenden Dialog gemeinsam über die Lage und die Gefühle spricht. Hier geraten Paare sehr oft in einen Streit, in dem keine Lösung möglich scheint. 

Die Paarberatung bietet den klaren Vorteil, dass das schwierige Gespräch über Emotionen, Erwartungen und Bedürfnisse fachlich geleitet wird und wir systematisch Lösungen erarbeiten. "Es ist gut, hier zu sein, da können wir mal länger als 10 Minuten intensiv darüber sprechen, ohne das einer aus der Situation abhaut" - das sagen mir in der Paarberatung fast alle Paare. Endlich einmal den Konflikt besprechen, geleitet, gehört und gesehen und vor allem mit einem Ergebnis. 

Lösungsansätze für die Vereinbarkeit von Care-Arbeit in der Familie:

Kommunikation: Der erste Schritt zur Lösung dieses Problems ist offene Kommunikation. Sprecht miteinander über eure Aufgaben und Erwartungen. Klärt, wer welche Verantwortlichkeiten übernimmt. Wichtig dabei ist, dass es faktische Inhalte gibt und wahrgenommene. Auch darüber sollte gesprochen werden. "Wie hast du den Tag und deine Aufgaben empfunden. Wie geht es dir damit?"

Aufgaben teilen: Care-Arbeit sollte gerecht aufgeteilt werden. Männer sollten sich aktiv an der Kinderbetreuung und Hausarbeit beteiligen. Es ist wichtig, traditionelle Rollenbilder zu überdenken. 

Das Ergebnis von Care-Arbeit in der Familie ist Beziehung. Wenn du eine vertrauensvolle Beziehung zu deinem Kind haben möchtest, in der du unabhängig zu deiner Partnerin oder deinem Partner als Beziehungsperson wahrgenommen werden willst, musst du große Teile der Care-Arbeit übernehmen. Kinder lernen sehr früh, welche Menschen wichtig für ihr Wohlergehen und schlichtweg ihr überleben sind:

  • Wer kocht, 
  • Wer tröstet 
  • Wer kümmert sich darum, dass passende Kleidung im Schrank ist 
  • An wen kann ich mich wenden, wenn ich krank bin
  • Wer holt mich vom Kindergarten ab und bringt mich sicher nach Hause
  • Wer backt meinen Geburtstagskuchen
  • Wer liest mir abends ein Buch vor 
  • USW.

Beziehung bekommst du nicht geschenkt und es braucht dafür die Entscheidung, Zeit in diese Beziehungen zu investieren. Es braucht überhaupt keine vollgestopften Wochenenden, oder großes "Halli-Galli". Was es braucht ist Verlässlichkeit, Verbindlichkeit, Zeit, Geduld, Selbstreflexion und Liebe.

Familienplanung: Plant eure Aufgaben und den Tagesablauf als Familie gemeinsam. Schafft Strukturen und Routinen, die für alle funktionieren.

Es kann helfen, diese Strukturen schriftlich festzuhalten und als eine Art Plan an die Wand zu hängen. 

Unterstützung suchen: Überlegt, ob ihr externe Unterstützung in Anspruch nehmen könnt, wie zum Beispiel die Unterstützung von Großeltern oder die Inanspruchnahme von Kinderbetreuungsdiensten.

Wertschätzung: Zeigt Wertschätzung für die Care-Arbeit eures Partners oder eurer Partnerin. Kleine Gesten der Dankbarkeit können viel bewirken. Dabei äußern vor allem die Frauen in der Paarberatung oft, dass ihnen kleine Gesten der körperlichen Nähe fehlen. Es geht um Küsse, Umarmungen, vielleicht ein Streicheln über den Rücken o.ä. 

Dabei kommt in der Paarberatung manchmal der Punkt an dem klar wird, dass eine*r von beiden aktuell nicht in der Lage für körperliche Nähe ist. Auch hier kann ein gut geführtes Gespräch sehr viele Blockaden lösen und wieder für mehr Miteinander sorgen. 

Persönliche Beispiele:

Ich hatte vor kurzem eine Klientin, die sich in ihrer Rolle als Mutter überfordert fühlte, weil sie sowohl berufstätig war als auch die meiste Care-Arbeit zu Hause erledigte. Nachdem sie und ihr Partner miteinander gesprochen hatten und die Aufgaben neu verteilt hatten, erlebten sie eine positive Veränderung. Die Partnerschaft wurde gestärkt, und sie fühlte sich weniger gestresst.

In einer anderen Familie, die ich betreut habe, hat das Paar beschlossen, eine wöchentliche "Familienversammlung" einzuführen, um über Aufgaben und Bedürfnisse zu sprechen. Dies half ihnen, Missverständnisse zu klären und ihre Zeit besser zu organisieren.

Fazit:

Liebe Eltern, die Vereinbarkeit von Care-Arbeit in der Familie ist ein wichtiges Thema, das wir gemeinsam angehen können. Indem wir die Verantwortung teilen und respektvolle Kommunikation pflegen, können wir Konflikte reduzieren und eine harmonische und ausgeglichene Familie schaffen. Es ist wichtig das ihr euch diesem Thema stellt und euch bewusst damit auseinandersetzt, denn: Genau diese Verhaltens- und Beziehungsmuster geben wir dann an unser Kinder weiter. 

Ich hoffe, diese Anregungen und persönlichen Beispiele helfen euch, eure eigene Situation zu verbessern. Lasst uns gemeinsam daran arbeiten, eine gerechtere und glücklichere Familienatmosphäre zu schaffen.

Alles Liebe,

Denise



Denise Winter
Denise Winter
Pädagogin und Coachin

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