"Es war nicht aus Liebe. Es war im Grunde nicht mal guter Sex oder so. Ich weiß heute nicht mehr, warum ich das gemacht habe. Es tut mir einfach sehr Leid, aber sie wird es mir nicht verzeihen können und das macht mich fertig."
Wenn ich Paare in meiner Praxis begleite, in deren Beziehung eine/r den oder die andere betrogen hat, beginnt der Weg erstmal oft mit vielen Tränen, gepaart mit Wut und Unverständnis. Wie konnte das passieren? Warum ist das passiert? Kann ich das jemals verzeihen?
Es ist das Gefühl, dass nichts von dem, was ich glaubte und wirklich dachte, noch Bestand hat. Der Boden ist unter meinen Füßen zu einem großen wackeligen Etwas geworden und ich bin damit beschäftigt, mich irgendwie aufrecht zu erhalten. Der Schmerz darüber, dass er mich dahin gebracht hat und das ich hier nun alleine stehe ist so groß. Ich weiß, er will auf mich zukommen, er will mir die Hand reichen, für mich da sein. Er möchte mir sagen, wie Leid es ihm tut und das er einen Fehler gemacht hat. Doch es ist mehr als nur ein Fehler. Dieser Betrug hat alles was wir haben und alles was wir sind in Frage gestellt. Für ihn war es eine kurze Flucht, raus aus dem Alltag, raus aus der Verantwortung und rein in die Leichtigkeit. Jetzt steht er vor mir, weint, macht sich klein. Entschuldigt sich für sein Verhalten, will sich verändern. Ich wünschte ich könnte diese Worte wie ein Pflaster auf meine Wunde kleben, doch es hält nicht. Der Kitt unserer Partnerschaft war immer Vertrauen und das ist Weg. Nein es ist nicht nur weg, ich frage mich, ob ich jemals wirklich vertrauen konnte. Und wie soll es in Zukunft sein, kann ich das überhaupt wieder aufbauen? Er sagt, er hat es verstanden. Er muss sich mehr mit sich auseinandersetzen, damit er nicht wieder zu eine Strategie wählt. Er sagt er wird sich verändern und mir nie wieder so weh tun. Aber seine Worte ziehen wie Wolken an mir vorbei. Ich kann sie hören, ich sehe sie wie Bilder an meinem inneren Auge vorbeiziehen. Doch nichts davon kommt mehr bei mir an. Meine Seele und mein Herz sind hinter einer Mauer geschützt - eine Mauer, die er nicht überwinden kann. Ich habe keine Ahnung, wie ich selbst diese Hürde überwinden soll. Ich bin überfordert von allem was geschieht. Von meinen Gefühlen, die wie ein Ping Pong Ball hin und her springen, niemals planbar sind und mich mitreißen - in alle Richtungen. Wie ein Schnellzug hat es mich erwischt, dieser Betrug. Alles zerfetzt und in Millionen kleiner Teile zerstückelt, was gestern noch wie in Stein gemeißelt fest stand. Nichts ist mehr wie es wahr, denn dieses unantastbare Vertrauen in uns als Paar, in unsere Liebe, in unsere Freundschaft ist weg. Was er mir genommen hat ist die Fähigkeit, Menschen einen Vertrauensvorschuss zu geben, mich weich, leicht und locker anderen gegenüber zu verhalten. Was nun im Raum steht ist Misstrauen. Und genau das ist es, was diesen Betrug so schmerzhaft macht. Es ist nicht die Tatsache das er Sex hatte - ohne mich.
Ich bin betrogen um mich selbst. Ich bin nicht mehr ich. Ich muss mich neu finden, muss versuchen, die Härte, die durch die Mauer um mein Herz entstanden ist, wieder abzulegen. Damit ich wieder nahbar sein kann.
Vor dem Betrug
Bevor er sie kennenlernte hatte er sich die Frage danach, ob er zufrieden ist nicht gestellt. Er hatte sich unterbewusst gar nicht erlaubt überhaupt so zu denken. Seit sie vor vier Jahren ihr erstes Kind bekommen hatten, hatte seine Frau sich geradezu aufgeopfert. Sie hatte ihre Rolle als Mutter völlig ausgefüllt, war darin aufgegangen und hatte mit all ihren Aufgaben und der Arbeit immer viel zu tun. Ihre Welt hatte sich verändert und jeder drum herum konnte wahrnehmen, in welcher Art und Weise.
Das seine Welt sich auch verändert hatte merkte niemand - zumindest fühlte es sich so an. Ihr bestreben in diesem neuen Leben mit Kind nach Familienleben hatte ihn doch immer auch mit abgeholt. Oder doch nicht?
Eines Tages hatte er sie beim Sport getroffen. Er kannte sie beiläufig über Bekannte und sie waren sich ein paar Mal über den Weg gelaufen. Auch sie war in einer festen Partnerschaft und Mutter von zwei Kindern. Die kleinen Blicke und oberflächlichen Flirtereien beim Fitness schienen so harmlos, sie - genau wie er - zu unerreichbar. Es war die perfekte Möglichkeit, sich etwas besser und leichter zu fühlen. Von nun an ging er regelmäßiger zu Sport, hatte mehr Ansporn in Form zu kommen. Dieses gute und leichte Gefühl, wenn er sie traf dehnte sich aus, als sie das erste Mal im Anschluss an den Sportkurs noch etwas zusammen trinken wollten. Er wusste, dass eine Linie überschritten war - doch diese Linie war so zart, so leicht zu dehnen. Das Gefühl in ihm, wenn er auf sie traf, war so gut, es schmeichelte seinem Ego. Er wollte mehr davon. Was sollte schon so schlimm daran sein, nach dem Sport mit jemandem noch etwas zu trinken.
Als er das erste Mal nach dem Sex mit ihr nach Hause fuhr wusste er, dass die soeben überschrittene Grenze nicht mehr dehnbar und zart gewesen war. Sie war deutlich, bekannt und bewusst. Er hatte sie dennoch überschritten. Es war wie im Rausch, wie eine Sucht, die er nicht beeinflussen konnte.
Er hatte sich endlich wieder frei gefühlt. Der Druck, funktionieren zu müssen, für seine Familie, seine Kollegen und den Chef, für seine Eltern und natürlich auch die Familie seiner Frau. Alles hatte er zu Hause gelassen als er frisch geduscht, gut angezogen und ordentlich einparfümiert zu ihr gefahren war. Er war wie 18. Er war beschwingt, aufgeregt und fühlte sich endlich wieder männlich.
Es kam natürlich wie es kommen musste. Mit der Zeit wurden sie unvorsichtiger und verloren das Gefühl für den Betrug, den sie ihren beiden Partner*innen angetan hatten. Eine Freundin seiner Frau hatte sie auf einer Veranstaltung in einer anderen Stadt gemeinsam gesehen. Dabei hatten sie sich - wie immer wenn sie die Stadt verließen - wie ein Paar benommen. Sie waren Händchen haltend durch die Straßen geschlendert, hatten sich verstohlene, lüsterne Blicke zugeworfen, alberten rum wie mit 16.
Zuerst war dieses Gefühl von: Das kann nicht sein. Bitte weckt mich mal jemand auf. Die Worte meiner Freundin kamen nicht an. Ich konnte das nicht glauben. Ich wusste, dass wir so einiges hatten in unserer Ehe, an dem wir dringend wieder arbeiten mussten. Niemals konnte das, was meine Freundin mir am Telefon sagte stimmen. Als er am nächsten Tag nach Hause kam, da hat er es in meinem Gesicht gesehen und ich an seinem. Als ich es ausgesprochen habe, ist er direkt klein geworden, hat sich entschuldigt, wollte alles als unwichtig erscheinen lassen. Wir ein Kind, dachte ich mir in dem Moment. Wie ein Kind, dass heimlich länger Fernsehen geguckt hat und jetzt die Strafe fürchtet. Es fühlte sich an, als hätte es einen Erdrutsch gegeben. Als wäre zwischen ihm und mir im Bruchteil einer Sekunde die Welt in zwei Teile zerbrochen und zwischen uns nun dieser riesige Riss. Es war nicht nur die Distanz - es waren Ekel und Abscheu. Nie wieder könnte ich zulassen, dass er mich berührt.
Der Weg zurück ins Vertrauen ist für die allermeisten Menschen, die in ihrer Partnerschaft betrogen wurden, sehr schwer und oft auch nicht mehr möglich. Zu groß ist der Schmerz und zu tief die Wunden.
Wir hatten uns nach einer Woche der Stille darauf geeinigt, dass wir uns räumlich trennen müssen um uns zu sortieren. Er war zu einem Freund gezogen und den Kindern hatten wir gesagt, dass Papa gerade viel in einer anderen Stadt arbeiten muss und deswegen nur zwischendurch nach Hause kommen kann. An den Tagen, an denen er die Kinder sehen wollte hatte ich bewusst das Haus verlassen. Ich konnte nicht mehr in seiner Nähe sein. Immer wenn der Schlüssel ins Schloss kam und sich die Haustür öffnete, wusste ich, dass er wieder da war. Jedes Mal überkam mich meine Traurigkeit.
Wir hatten uns Regeln gemacht, wie wir miteinander reden wollen. Ich glaube am Anfang haben wir beide irgendwie gehofft, dass die Zeit die Wunden heilen wird. Aber das ist nicht passiert.
Wenn Menschen einander in Form eines Seitensprungs oder eine Affäre betrügen, ist das in den aller seltensten Fällen, weil sie einander weh tun wollen. Die Ursache dieser Form der Selbstmanipulation beginnt viel viel früher und wenn du verstehen willst, wieso du betrogen wurdest oder wieso du betrügst, musst du weiter zurückgehen, als du vielleicht denkst.
Der Kern des Verhaltens liegt in deiner Kindheit. Natürlich kannst du daran auch als erwachsene Person stetig arbeiten, doch die Art wie du mit deinen tieferliegenden Bedürfnissen, Grenzen und Wünschen umgehst, liegt in den Händen deines inneren Kindes.
Menschen, die ihre Bedürfnisse stetig beiseite schieben, nicht in sich selbst reinspüren und regelmäßig überprüfen, was sie brauchen um zufrieden sein zu können, manipulieren sich selbst. Sie reden sich ein, dass sie oder ihre Bedürfnisse weniger wichtig sind, dass sie sich zurücknehmen müssen, dass sie ihre Gefühle falsch wahrnehmen. Doch während sie das tun - oft über Jahre oder sogar das ganze Leben - wird der innere Druck immer größer und droht zu explodieren.
Und dann taucht sie auf - diese Insel. Ein Ort, ein Mensch, eine Droge oder oder oder.. Etwas, dass niemand weiß, etwas das dieser Mensch für sich allein hat. Eine Möglichkeit, sich wegzuducken und das eigene Ding zu machen. Ohne dabei einem Bild entsprechen zu müssen. Es fühlt sich wie Freiheit an und ist doch das größte Gefängnis.
Es gibt kein eindeutiges Ja oder Nein. Manchmal gibt es auch etwas dazwischen. Ein Vergeben.
Oft geht es darum, zu verstehen wie es dazu gekommen ist und was sich unbedingt verändern muss, damit ein zusammen bleiben überhaupt denkbar sein kann. Man muss sich selbst und die andere Person im Verhalten verstehen können, damit es eine Heilung geben kann. Denn der Schmerz ist eben der Verrat und oft nicht die eigentliche Handlung. Wer also im Verlauf der Beratung lernt zu verstehen, der fühlt sich handlungsfähig und kann daraus wieder Vertrauen entstehen lassen.
Nach dem Betrug braucht es immer das Bewusstsein, dass ein "weiter so" nicht funktionieren wird. Ihr müsst euch selbst und die Basis eurer Partnerschaft neu finden und dann aktiv entwickeln.
Es ist immer gut, wenn man damit beginnt über ich selbst zu sprechen und dabei immer mehr über die eigene Persönlichkeit, die Wunden und Verletzungen, die eigenen Stärken und Merkmale kennenzulernen. Dabei ist eine geleitetes Gespräch die beste Voraussetzung, um durch gezielte Fragen immer ein bisschen tiefer gehen zu können.
Das geht allein oder auch mit deinem Partner oder deiner Partnerin.
Ich biete in meiner Praxis genau das an. Wenn du Veränderung möchtest, dann schreib mir gern.
(Um es hier im Artikel etwas einfacher zu halten, erzählte ich aus der Sicht einer Frau, die betrogen wurde. So konnte ich das Gendern umgehen und der Text ließt sich leichter.)
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Di 08:00 - 13:00 und 15:00 - 19:00
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