Oft sind es die frühen Morgenstunden wenn sie wach wird. Erst ist sie leicht irritiert und muss verstehen, wo sie ist und wie spät es ist. Wenn das Haus so still ist, wenn alle friedlich schlafen, dann liegt sie in ihrem Bett, lauscht den Vögeln, die draußen vor dem Fenster bereits den Tag begrüßen. Es ist der Moment, der nur ihr allein gehört und niemandem sonst. Sie muss nichts teilen, niemandem antworten, sich nicht rechtfertigen. Sie muss niemand sein. Sie liegt nur da, lauscht den Vögeln, atmet und denkt nach.
Sie denkt darüber nach, wie es ist, in ihrem Leben. Es ist der Moment des Tages, an dem alle Filter verschwunden sind. Alle Meinungen zählen nicht, die Bewertungen von außen haben ihren Wert verloren. Hier und jetzt gibt es nur sie.
Sie hat in diesem Moment einen Zugang zu dem, was tief in in ihr drin wie ein Schatz verborgen liegt. Das was wirklich zählt für sie und einen bedeutenden Wert hat. In diesem Moment kann sie alles ablegen, was sie glaubt zu sein oder sein zu müssen. Es liegt so klar vor ihr.
Sie spürt ihren Brustkorb, der sich langsam und bedächtig erhebt und senkt und sie spürt die Luft, die sanft ihre Lungen füllt und sie entspannen lässt. Lange hat sie sich selbst nicht wahrgenommen.
Wenn es immer so sein könnte, wenn sie alles ablegen könnte von dem, was den Rest des Tages zählen wird, dann wäre sie eine andere Frau. Dann wäre sie unbeugsam, wild, frei, spontan.
Leise Tränen rollen ihr über die Wangen. Ich könnte eine andere sein. Eine Frau, die ihre Kinder leichter in den Arm nehmen könnte und fühlen könnte, was sie fühlen. Ich könnte verzeihend sein, ich könnte weich sein. ich könnte liebevoller sein und vor allem langsamer. Ich könnte andere entschleunigen, ich könnte viel besser Nein sagen. Ich könnte leidenschaftlich sein und selbstbewusst.
In ihr drin liegt diese Schatzkiste voller Emotionen. Sie ist randvoll und jeden Tag werden neue Gefühle und Gedanken von ihr dort verwahrt. Sie hat zu wenig Zeit, zu wenig Energie, zu wenig Lust, zu wenig.. Von allem was zählt, zu wenig.
Dafür zu viel von zu Vielem. Zu viel Geschirr in den Schubladen, zu viele Klamotten im Schrank, zu viele Duschgele und Waschlotionen im Bad, zu viel... Zu viel von allem, was gar nichts zählt und sie in ihrem Leben zum Stillstand gezwungen hat. Und jeden Tag kommen neue Dinge dazu.
Das zu Viel wird größer und das Zu wenig immer kleiner.
Es ist so schwer das ziehen zu lassen, was sie hat. Sich nicht mehr an das zu binden, was sie glaubt zu brauchen.
Denn mit dem Besitz kam der Druck, nichts davon mehr zu verlieren was sie hat. So wurde der Druck immer größer, noch mehr zu besitzen. Ein Teufelskreis, der schon lange vor ihrer Geburt begann und den sie mit der Muttermilch aufgesogen hatte.
Jeder Tag funktioniert auf die gleiche Weise. Der Rahmen ihres Lebens ist so fest gesteckt, dass er niemals veränderbar scheint. In diesem Rahmen entscheidet sie nicht mehr. Sie reagiert.
Heute Morgen ist es für einen kurzen Moment so, als würde es den Rahmen nicht mehr geben. Es ist für diesen Augenblick so, als wäre jeder Besitz, jede Bewertung, jeder Blick von außen unwirklich.
Alles was sie braucht liegt an diesem Morgen in Ruhe gebettet und schläft. Es sind ihre Kinder und ihr Mann. Ihre kleine Familie. Zu Wissen das sie da sind, reicht um in Frieden mit sich zu sein.
Als der Wecker klingelt, verschwinden all diese Gedanken in der Schatztruhe und es scheint, als wäre nichts gewesen. Doch die Schatztruhe läuft langsam über und die Emotionen bahnen sich ihren Weg.
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